Traumtour Jubiläumsgrat

Schon länger stand diese Tour auf meiner Wunschliste. Vor allem vor der konditionellen Herausforderung hatte ich aber bisher großen Respekt: 8000m Kletter- bzw. Gehstrecke, ca. 800 Höhenmeter Aufstieg und 1700 Höhenmeter Abstieg, Gehzeit 8-10 Stunden. Dabei muss bei immer wieder ausgesetzten Kletterstellen (oftmals ohne Stahlseil!) bis II+/III- und einer sehr kraftraubenden D-Klettersteigpassage die Konzentration bis zum Schluss vorhanden sein.

Nun passte es gefühlsmäßig aber endlich - sogar so gut, dass ich mir die Tour gar im Alleingang zutraute. Die Übernachtung auf dem Münchner Haus gab dabei zusätzliche Sicherheit: Ich würde früher starten können als wenn ich mit der ersten Bahn hochgefahren wäre und würde so sicherlich nicht in Zeitbedrängnis kommen, um die letzte Bahn am Osterfelderkopf zu erwischen.

Ein weiterer Vorteil der Übernachtung: Man erlebt (hoffentlich) einen wunderschönen Sonnenaufgang. Auch das passte bei mir einfach wunderbar. Begleitet von meinem Thermo-Frühstück (lauwarmer Kräutertee und Marmeladenbrot) genoss ich in aller Ruhe die tolle Morgenstimmung, bevor ich meine Sachen zusammenpackte und mich startbereit machte.

Um 6:41 Uhr schoss ich schließlich zum dritten Mal ein Gipfelbild und ging dann los Richtung Jubiläumsgrat - ein bisschen aufgeregt, aber auch voller Vorfreude.

Die ersten Meter sind noch relativ easy, wobei man schon teilweise gründlich auf die Markierungen achten sollte. 

Etwa eine halbe Stunde nach meinem Start erreichte ich gemeinsam mit einem weiteren Alleingänger die landläufig als Schlüsselstelle bezeichnete "glatte Rinne". Sie wird meistens mit III- angegeben, ich fand sie aber nicht schwieriger als das nochmals 20 Minuten später abzukletternde Türmchen.

Die glatte Rinne von unten

Zwischendurch auch mal innehalten und die Fernsicht genießen

Das II+-Türmchen

Kurz nach dem Türmchen kommt die vermutlich unangenehmste Stelle des Grates: Recht steil geht es bergab, und wenn man nicht aufpasst, steht man ganz schnell auf einem gefährlichen Kugellager, denn der felsige Untergrund ist mit feinem Geröll bedeckt. 

Rückblick auf den Rollsplitt-Abstieg, etwa in Bildmitte ist auch eine Person zu erkennen

In stetem Auf und Ab geht es nun weiter, wobei mich bei einer kleinen Pause zwei Männer überholten. Beide waren mitten in der Nacht im Tal gestartet und hatten daher schon um einiges mehr an Höhenmetern in den Beinen. Während der eine trotzdem ein unglaubliches Tempo hinlegte, ergab es sich, dass ich mit dem anderen, einem DAV-Tourenleiter aus Memmingen, den weiteren Weg mehr oder weniger gemeinsam absolvierte. Und auch wenn ich das Alleine-unterwegs-sein irgendwie genoss, war es trotzdem sehr angenehm, sich vor allem in den Pausen nett unterhalten zu können. 

Wohlfühlgelände

In der Rückschau wird einem immer wieder bewusst, dass es tendenziell nach unten geht

Waxensteinkamm

Im Aufstieg zur Inneren Höllentalspitze fühlt man sich ganz klein

Gegen 9:20 Uhr erreichten wir nach einem langen Gegenanstieg die Innere Höllentalspitze und wenig später (9:35 Uhr) den Abzweig des Notabstiegs zur Knorrhütte. Abzüglich Pausen hatte ich bis hierher also rund 2,5 Stunden gebraucht, was durchaus nicht langsam ist.

Sehr schöner Blick retour von der Inneren Höllentalspitze

Im Blick nach vorne erkennt man in der Ferne schon die Biwakschachtel

Am Abzweig

Zur Abwechslung mal wieder steil bergauf

So langsam entfernt sich die Zugspitze doch deutlich

Einfaches Gelände bis zum "Grathütterl"

Eine weitere Stunde später erreichten wir die Biwakschachtel, wo wir uns zu einer etwas längeren Pause niederließen.

Hier zu übernachten hätte schon auch mal was!

Weiter geht's

Alpspitze und Hochblassen

So langsam hatte ich auch endlich das Gefühl, dass die Alpspitze doch irgendwie näher kommt. Von der Zugspitze aus ist man nämlich durchaus verleitet zu denken, dass die Strecke doch gar nicht so weit ist wie immer alle sagen. Sobald man aber am Grat unterwegs ist, merkt man schnell, wie weit es wirklich ist. 

Gegen 11:40 Uhr erreichten wir schließlich die berüchtigte Vollkarspitze. Für diesen steilen Aufstieg (Klettersteigschwierigkeit D) hatte ich mir einen Leichtklettergurt und eine Bandschlinge* mitgenommen, für den Fall, dass ich zwischendurch mal eine Pause gebraucht hätte. Kurzum: Ich habe sie nicht gebraucht, würde sie aber wieder mitnehmen, denn man weiß nie, ob man sich nicht doch mal schnell einhängen möchte - und allein das gibt schon ein gutes Gefühl der Sicherheit. 

Nein, das ist noch nicht die Vollkarspitze, sondern erst der Anstieg zum Vorgipfel - trotzdem schon verdammt steil und fast noch ein wenig schwieriger als der eigentliche Gipfelaufbau

DAS ist die Vollkarspitze

Der Weiterweg: Ganz unten mein Begleiter und mittig der Hochblassen

Jetzt ist es wirklich nicht mehr allzu weit

In der Rückschau erkennt man links gut die Vollkarspitze mit ihrem steilen Vorgipfel

Beeindruckender Zoom zur Zugspitze

Nach der Vollkarspitze wird es wieder einfacher und bald steht man am Abzweig zum Hochblassen. Dieser wird in seiner Nordwestflanke gequert und es geht hinab in die Grießkarscharte (2463m). Hier ließen wir uns gegen 13:15 Uhr erneut für eine etwas längere Pause nieder und tauschten Birne aus dem eigenen Garten gegen Schokolade. 

In der Grießkarscharte: Rückblick auf den Abstieg von der Querung des Hochblassen (es sieht viel schlimmer aus als es ist)

Mein Begleiter stieg von hier hinab zur Höllentalangerhütte, denn er musste von Hammersbach nochmal rund 22km mit dem Radl zurück nach Ehrwald fahren - Chapeau! Mir dagegen stand nun der letzte Anstieg zur Alpspitze bevor. Gut 150 Höhenmeter müssen noch einmal überwunden werden, was durchaus an den Kraftreserven nagen kann. 

Puhhh...

Geschafft!

Genialer Blick auf das Tageswerk

Auch die Aussicht nach Nordosten weiß zu überzeugen

Den Gipfel erreichte ich um kurz nach zwei. Massig Zeit also noch bis zur letzten Talfahrt der Alpspitzbahn. Trotzdem blieb ich nicht lang, denn ich wollte mir unten lieber noch ein kühles Getränk gönnen.

Der Abstieg über die Nordwand-Ferrata ist nach dem Jubiläumsgrat kein großes Vergnügen mehr, andererseits tut es auch gut, sich einfach ins Stahlseil zu hängen und ohne Schwierigkeiten absteigen zu können. An einem so schönen Tag war natürlich einiges los, sodass ich mehrfach Aufsteigenden ausweichen und Absteigende überholen durfte. 

Naja, muss halt noch...

Um halb vier kam ich schließlich an der gut besuchten Bergstation der Bahn an. Ich ließ mir ein alkoholfreies Weißbier schmecken und freute mich über die einfach nur geniale Tour - ich kann auch jetzt noch immer nur wieder daran denken, wie froh ich bin, das Ganze gemacht zu haben!

Die Zivilisation hat mich endgültig zurück


  • Tourdatum: Donnerstag, 25.08.2022
  • Zeitbedarf (ohne Pausen): Zugspitze - Abzweig Notabstieg 2,5 Stunden, Notabstieg - Biwakschachtel 1 Stunde, Biwakschachtel - Grießkarscharte gut 2 Stunden, Grießkarscharte - Alpspitze - Osterfelderkopf gut 1,5 Stunden, Gesamt knapp 7,5 Stunden
  • Höhenmeter: Die Angaben im Internet schwanken, meist werden ca. 800m im Aufstieg und ca. 1700m im Abstieg angegeben
     

* Wichtiger Hinweis an dieser Stelle: Grundsätzlich ist eine Sicherung mit einer Bandschlinge in einem Klettersteig nicht geeignet! Denn bei einem Sturz würde die Bandschlinge entweder reißen (und man stürzt somit doch ab) oder sie hält und bricht einem durch das abruppte Abbremsen sämtliche Knochen (u.U. auch das Genick). Man sollte sich seiner Sache also sehr sicher sein und die "Sicherung" nur als Backup ansehen, falls man eine Pause braucht (und das System dann langsam belasten kann).


*** Epilog ***

Im Gegensatz zum Vortag hatte ich dieses Mal richtig Glück mit den Öffentlichen: Eigentlich hatte ich mir notiert, dass die Bayerische Zugspitzbahn von der Talstation der Alpspitzbahn immer um xx:37 Uhr fährt. Dies würde zwar einen Aufenthalt von 50 Minuten in Garmisch-Partenkirchen bedeuten, aber da hätte ich mich halt einfach noch in ein Café gesetzt. Nachdem ich um 15:30 Uhr an der Bergstation ankam, würde ich also um 16:37 Uhr nach GAP fahren, dort um 17:40 Uhr in den SEV steigen und mit Umstieg in Murnau und München um 20:07 Uhr in Freising ankommen. 

Da ich nicht wusste, wie lange die Alpspitzbahn ins Tal braucht, wollte ich nicht zu knapp runterfahren. Also nahm ich die Gondel um ca. 16 Uhr und schlenderte unten angekommen gemütlich zum Bahnhof der Bayerischen Zugspitzbahn. Etwa 5 Minuten später fuhr ein Zug ein - nach Garmisch-Partenkirchen! Damit stand in Aussicht, dass ich bereits den SEV um 16:40 Uhr erwischen und damit eine Stunde früher als geplant in Freising sein würde - super! Bis auf die wirklich chaotischen Zustände beim SEV in Garmisch klappte auch alles hervorragend und sowohl im Zug nach München als auch nach Freising war es kein Problem, einen Sitzplatz zu bekommen. 

Manchmal hat man eben auch einfach Glück.

Kommentare

  1. Glückwunsch zur Traumtour! Liest sich so, als seiest Du recht entspannt und zügig durchgekommen. Sehr cool.

    AntwortenLöschen
  2. Dankeschön! Ja, ging alles recht entspannt :-)

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts