Zugspitze über Stopselzieher mit Übernachtung auf dem Münchner Haus

Manchmal trifft man Entscheidungen, da hat man eine leise Ahnung, dass es die einzig richtige ist. Und dass es richtig gut werden könnte. So ging es mir an einem Montagabend Ende August 2022: Das 9 €-Ticket gilt noch, es sind zwei sehr stabile Tage vorhergesagt, ich muss ohnehin Überstunden abbauen, bin noch gut akklimatisiert vom Galtür-Urlaub und es ist doch ausgerechnet genau für Mittwoch noch ein einziger Platz auf dem Münchner Haus frei - kurzerhand beschloss ich, Deutschlands höchstem Berg endlich einmal aufs Haupt zu steigen und am nächsten Tag noch den Jubiläumsgrat zu gehen.

Und was war das für eine gute Entscheidung!

Aber der Reihe nach. Da ich mit den Öffis anreisen wollte, suchte ich mir als Aufstieg den relativ kurzen Weg über den Stopselzieher aus - was sich als goldrichtige Wahl herausstellte, denn aufgrund der Verspätung meines ersten Zuges von Freising nach München in Kombination mit dem Schienenersatzverkehr auf der Strecke Murnau - Garmisch-Partenkirchen - Ehrwald - Pfronten erreichte ich meinen Ausgangsort erst um kurz vor zwölf (im Epilog mehr dazu). 

Da ich den Bus zur Talstation der Tiroler Zugspitzbahn verpasst hatte, ging's am Bahnhof Ehrwald (974m) los. Zunächst durch den Ort und anschließend über die Piste zur Gamsalm (1282m): Es gibt echt Schöneres, aber was will man machen. Auch die nächsten 200 Höhenmeter verlaufen noch über die Piste, ab einer Höhe von etwa 1500m darf man sich dann endlich zumindest ab und zu über ein bisschen Schatten freuen.

Schöner Blick nach Ehrwald

Auf 1632m vereinigt sich der Weg mit dem von der Talstation heraufziehenden und führt erst über eine Geröllreise, kurze Zeit durch's Grün und anschließend wieder durch Geröll hinauf zu einem markanten Bergkamm. Hier kommt auch der Weg vom Eibsee herauf. 

Eibsee und Ammergauer

Kurze Zeit später steht man quasi direkt unter einem der beeindruckenden Stützpfeiler der Ehrwalder Zugspitzbahn, bevor es relativ höhenlinienparallel Richtung Westen geht. Teils auch ein wenig ausgesetzt und ganz selten mit Stahlseil versichert erreicht man die Wiener Neustätter Hütte und hat damit bereits 1200 Höhenmeter geschafft. Ich pausierte kurz und checkte die Zeit: Halb drei, d.h. noch dreieinhalb Stunden bis 18 Uhr (bis dahin sollte man sich laut Website im Falle einer Reservierung im Münchner Haus gemeldet haben) - das sollte also gut zu schaffen sein.

Obwohl noch 800 Höhenmeter vor mir liegen, ist oben bereits die große Antenne, die sich nur knapp unterhalb des Gipfels befindet, deutlich zu sehen

Mit zwei anderen stieg ich gegen kurz nach drei in den Stopselzieher-Klettersteig ein. Ich ließ die beiden recht schnell hinter mir, da ich - wie wohl die meisten - nicht sicherte (der Klettersteig ist wirklich nicht schwierig). Zwischendurch kam mir der Gedanke, dass die Route ein richtig toller alpiner Anstieg wäre, wenn nicht die vielen Seile verbaut wären... Glücklicherweise gibt es auch viele Abschnitte ohne Versicherung. Über meist richtig schönen Fels gewann ich schnell an Höhe, sodass ich mich, je höher ich kam, immer wieder zu kurzen Pausen zwang. Denn zu früh wollte ich auch nicht oben ankommen. 

Um 16:45 Uhr erreichte ich die Bauruine der alten Ehrwalder Bahn, wo ich nochmals pausierte. Wenig später ist schließlich der Südostgrat der Zugspitze erreicht, wo auch der Weg vom Zugspitzplatt heraufkommt. Erstmals öffnet sich der Blick nach Süden.

Da muss ich jetzt noch rauf

Weitere 20 Minuten später, um 17:20 Uhr, betrat ich schließlich die Gipfelplattform und wenig später die ehrwürdige Alpenvereinshütte. Niemand zu sehen. Ich beschloss daher, zunächst noch dem Gipfelkreuz einen Besuch abzustatten, wo ich zu meiner Freude nur kurz für ein Foto anstehen musste. 

Touribild muss sein

Der Jubigrat versteckt sich leider in Wolken, aber der Waxensteinkamm zeigt sich sehr schön

Gipfelplattform vom Kreuz aus gesehen

Nachdem die letzte Talfahrt der Eibseebahn lautstark angekündigt wurde, wunderte ich mich zunächst, dass das kaum jemanden zu interessieren schien. Scheinbar wollten die meisten wieder nach Ehrwald. Trotzdem waren noch so viele Menschen auf den verschiedenen Aussichtsterrassen unterwegs, dass ich mich schon fragte, wie die alle in wenige Gondeln passen sollten. 

Jetzt stand aber erstmal die Anmeldung im Münchner Haus an. Gleich die erste Frage der jungen Hüttenwirtin: Ob ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist wäre. Ich bejahte und freute mich über die "Freie Nacht für's Klima" - eine sehr coole Aktion des DAV. Kurze Zeit später gab's leckere Kasspatzn und ich lernte meine "Mitbewohner" kennen. Im Vorhinein hatte ich mich schon gefragt, wie es wohl alleine auf einer Alpenvereinshütte werden würde. Kurzum: Wir hatten einen sehr schönen Abend mit vielen interessanten Geschichten und jede Menge guter Laune! Ich erfuhr dabei unter anderem, dass wohl jeden Mittwoch Sonnenuntergangsfahrten angeboten werden - die letzte Bahn würde also erst um 21:30 Uhr fahren. Die spektakuläre Verabschiedung des Tages mussten wir somit mit vielen anderen teilen, was ich aber gar nicht als negativ empfunden habe. Im Gegenteil, irgendwie war das eine ganz besondere Stimmung an diesem Abend. 

Und die Lichtspiele waren sowieso einzigartig!

19:30 Uhr, langsam legt sich Abendstimmung über Deutschlands höchsten Berg

Blick nach Süden

Jubiläumsgrat im letzten Licht

Und nochmal am Gipfel

Der Waxensteinkamm leuchtet

Gefühlte hundert Fotos später fanden wir uns wieder in der warmen Stube ein. Die Wirtin, übrigens die sehr sympathische Tochter des bisherigen langjährigen Pächters, gab uns noch einen Schnaps aus und blieb auch für einen kurzen Ratsch. Sie erzählte uns unter anderem, dass 2022 das letzte Jahr sein würde, in dem man im Münchner Haus würde übernachten können. Ab 2023 werde nur noch Tagesbetrieb angeboten. Was für ein Glück wir doch alle hatten - da waren wir uns einig. Und so ein Jammer für alle, die es nicht geschafft haben.*

Um 21:45 Uhr wurden wir schließlich freundlich, aber bestimmt aus dem Gastraum gebeten (Hüttenruhe laut Anschrieb um 21:30 Uhr!). Wir bezogen unser Lager - übrigens das einzige, es können tatsächlich nur zehn Leute da oben übernachten - und ich stellte den Wecker auf undankbare 5:30 Uhr.

  • Tourdatum: Mittwoch, 24.08.2022
  • Zeitbedarf (ohne Pausen): Ehrwald Bahnhof - Wiener Neustätter Hütte gut 2,5 Stunden, Hütte - Münchner Haus knapp 2,5 Stunden, Gesamt rund 5 Stunden
  • Höhenmeter: 2000

*** Epilog ***

Manchmal fragt man sich schon, warum man sich das antut. Ich meine nicht das Bergsteigen, das war toll. Aber die Anreise mit den Öffentlichen strapazierte dieses Mal wirklich meine Nerven. Geplant war folgende Verbindung:

  • Freising - München 6:49 Uhr - 7:16 Uhr
  • München - Murnau 7:32 Uhr - 8:31 Uhr
  • Murnau - Garmisch-Partenkirchen (SEV) 8:39 Uhr - 9:17 Uhr
  • Garmisch-Partenkirchen - Ehrwald Bahnhof (SEV) 10:05 Uhr - 10:29 Uhr
  • Ehrwald Bahnhof - Talstation Ehrwalder Zugspitzbahn 10:35 - 10:40 Uhr

Da mein Zug von Freising bereits mit zehn Minuten Verspätung einfuhr und diese auch noch ausbaute, war irgendwann klar, dass ich in München den geplanten Anschluss nicht bekommen würde. Eine Überprüfung der nächsten Reisemöglichkeiten ergab, dass zwar der Zug nach Murnau und auch der SEV nach Garmisch-Partenkirchen jeweils eine Stunde später fahren würden, nicht jedoch der SEV von Garmisch-Partenkirchen nach Ehrwald. Als Alternative spuckte mir die App folgende Verbindung aus:

  • München - Buchloe 7:54 Uhr - 8:32 Uhr
  • Buchloe - Kempten 8:40 Uhr - 9:22 Uhr
  • Kempten - Pfronten-Steinach 9:31 Uhr - 10:25 Uhr
  • Pfronten-Steinach - Ehrwald Bahnhof (SEV) 10:34 Uhr - 11:33 Uhr
  • Ehrwald Bahnhof - Talstation Ehrwalder Zugspitzbahn 11:35 Uhr - 11:40 Uhr

Na gut, wenn alles glatt läuft, wäre ich ja tatsächlich nur eine Stunde später als geplant an meinem Ausgangsort. Also stieg ich in München in den Zug nach Buchloe und hoffte bei jedem Umstieg, dass sich dieser zeitlich ausgehen würde. In Kempten sprintete ich zudem schnell zum Bahnhofs-Bäcker und kaufte mir noch eine belegte Semmel, da ich dies eigentlich für die längere Aufenthaltszeit in Garmisch-Partenkirchen geplant hatte. Tatsächlich klappten alle Umstiege perfekt - bis auf den letzten Bus, den verpasste ich um zehn Minuten. Das war aber nicht weiter schlimm, denn das bedeutete lediglich 250 Höhenmeter und 2 km zusätzlicher Anstieg.

Rückblickend alles halb so wild, und vor allem: Entschleunigend! Aber viermal Umsteigen und knapp 5 Stunden Fahrtzeit kann man sich schon mal auf der Zunge zergehen lassen. Das geht für eine Tagestour natürlich nicht.

Und trotz alledem: Die Tour fühlte sich so einfach viel "runder" für mich an, als wenn ich das Auto genommen hätte. Preislich wäre es sicher auch teurer gewesen (die Parkgebühren schnellen ja seit Jahren in die Höhe), außerdem hätte ich gar nicht gewusst, wo ich mein Auto hätte abstellen sollen. Denn letztendlich kam ich am Ende ja ganz woanders raus als ich gestartet war - eine der ganz großen Vorteile der Anreise mit den Öffis.

Und die freie Nacht für's Klima war natürlich auch noch ein schönes Schmankerl :-)


* Anscheinend (siehe auch Kommentar) kann doch weiter auf dem Münchner Haus übernachtet werden: https://www.alpenverein-muenchen-oberland.de/huetten/alpenvereinshuetten/muenchner-haus

Kommentare

  1. Freut mich, dass es trotz Schwierigkeiten mit dem verspäteten Zug ab Freising noch gut ausgegangen ist - bin schon auf den Bericht zum Jubigrat gespannt!
    Für einen Tag nach Dir hatte ich auch Ehrwald - Stopselzieher - Zugspitze geplant (war ja der letzte richtig schöne Tag in jener Woche), was aber sehr kurzfristig leider nicht geklappt hat. Mal sehen, wann die nächste Gelegenheit kommen wird ...

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    1. Danke dir! Und schade, dass es bei dir nicht geklappt hat, das Wetter am nächsten Tag war wirklich gut - wobei sich nachher doch auch einige Wolken um die höheren Gipfel herum gebildet haben, evtl. wärst du also auf der Zugspitze im Nebel gewesen. War vielleicht doch gut, dass es sich nicht ausgegangen ist. Und die nächste Gelegenheit kommt sicher!

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  2. Toll, dass sich das so spontan ausgegangen ist. Bin gespannt auf den zweiten Teil des Berichts. Dass das Münchner Haus auf reinen Tagesbetrieb umstellt, wusste ich nicht. Das dürfte einige Jubi-Begehungen ja deutlich erschweren.

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    1. Vielen Dank! Es dauert hoffentlich nicht mehr allzu lange bis zur Veröffentlichung des zweiten Teils... Ich denke auch, dass die Zahl der Jubigrat-Aspiranten dann vielleicht sogar etwas zurückgeht. Denn mit der ersten Bahn muss man schon schauen, dass man nicht zu langsam unterwegs ist. Für mich war es mit Übernachtung einfach super entspannt. Und eine Schande ist die Umstellung auf Tagesbetrieb sowieso, ist schließlich Deutschlands höchstgelegene Hütte und einfach eine Institution.

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  3. Hallo, woher kommt die Info mit nur Tagesbetrieb aufm Münchner Haus? Im Internet ist dazu nichts zu finden. Da steht Reservierungen sind möglich. https://www.alpenverein-muenchen-oberland.de/huetten/alpenvereinshuetten/muenchner-haus
    Grüße

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    1. Stimmt, man scheint auch für 2023 reservieren zu können. Die Info kam wie beschrieben von der Tochter des Pächters, die demnächst übernehmen soll. Aber vielleicht hat sich das wieder geändert - umso besser!

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