Parseierspitze - Im Reich der Steinböcke

Insgesamt gesehen würde ich mich nicht als einen Menschen bezeichnen, der beim Bergsteigen auf große Namen schaut. Die Parseierspitze und den Augsburger Höhenweg hatte ich aber trotzdem schon eine Weile im Auge. Und nachdem es die Corona-Lage erlaubte, fuhren wir relativ spontan Mitte September für ein paar Tage in die Lechtaler Alpen.

Unsere Runde sollte uns von Bach über die Memminger und Augsburger zur Ansbacher Hütte führen. Somit brachten wir an Tag 1 zunächst den Aufstieg zur Memminger Hütte hinter uns.

By fair means geht es von Bach (1062m) zur Memminger Hütte (2242m), im Sommer fährt bis zur Talstation der Materialseilbahn auch ein Sammeltaxi

Die Hütte liegt wunderschön eingebettet in einem hochalpinen Talkessel

Aussicht aus unserem Fenster - Die Steinböcke waren da leider schon weg

Nachdem der E5-Knotenpunkt nicht ausgebucht war, lief alles sehr gesittet ab - auch das oft beschriebene Essen in zwei Schichten kam nicht zum Zug. Sogar Schnarcher gab es keine auf unserem Viererzimmer (ja, ein bisschen Luxus muss sein, wenn's geht). Trotzdem lag ich die halbe Nacht wach - das ist leider oft bei der ersten Übernachtung so, macht aber meistens nichts.

Für Tag 2 hatten wir uns den Übergang zur Augsburger Hütte über den anspruchsvollen Spiehlerweg vorgenommen. Mit schweren Rucksäcken bepackt - wir mussten schließlich eigene Schlafsäcke mitbringen, und da wir nicht frieren wollten, nahmen wir sicherheitshalber die 1,2kg schweren Daunenschlacksäcke mit - machten wir uns gegen halb acht auf den Weg. Die E5-Horde bog glücklicherweise recht früh nach links weg ab, sodass wir den weiteren Weg nahezuh für uns alleine hatten.

Noch ein Blick zurück zur Hütte

Und so ließ die erste tolle Naturbegegnung nicht lange auf sich warten: Eine Gruppe junger Steinböcke turnte durch die Felsen neben dem Wanderweg und ließ sich durch uns nicht aus der Ruhe bringen.

So schön hier! (Oberer Seewisee)

Ab in die Sonne

Um kurz vor neun erreichten wir die Wegscharte (2585m). Hier setzten wir die Helme auf, denn es geht steil am Stahlseil hinunter...

... um dann auf gleicher Höhe bleibend nach Süden wegzuziehen. Während wir so in der Sonne dahinschlenderten, fragten wir uns, wie es wohl hoch zur Patrolscharte gehen sollte - die unnahbare, düstere Wand darunter sah nicht besonders einladend aus... 

Noch hüllt sich die Parseierspitze ein wenig in Wolken

Von weitem fast undenkbar: Unterhalb bzw. links des großen Schneefeldes führt ein Steig hinauf zur Patrolscharte

Hello again

Jetzt wird's steil

Dank guter Markierung und Versicherungen kein Problem

Zum Schluss sogar noch ein paar Steighilfen

Wie so oft nimmt schließlich die Nähe zu einer solchen Wand den Eindruck der Undurchsteigbarkeit. Auch Dank der zahlreich vorhandenen Stahlseile halten sich die Schwierigkeiten in Grenzen. Nichtsdestotrotz bewegt man sich in wildem Ambiente, was auf mich aber irgendwie auch immer einen gewissen Reiz ausmacht. 

Um zwanzig nach elf erreichten wir mit der Patrolscharte wieder die Sonne. Vor uns baute sich der beeindruckende Gipfelkörper der Parseierspitze auf.

Eigentlich war ja der Plan gewesen, diese am nächsten Tag als Tagestour von der Augsburger Hütte anzugehen. Da aber am übernächsten Tag das Wetter schlechter werden sollte und wir auch noch den Augsburger Höhenweg machen wollten, war klar, dass wir den Gipfel sofort angehen würden. 

Wir stiegen daher hinunter zum nicht mehr vorhandenen Grinner Ferner und deponierten unsere Sachen an einem großen Felsklotz - den gesamten Rucksackinhalt wollten wir nicht mitschleppen. 

Der Normalanstieg zur Parseierspitze erfolgt durch ihre Südwand, wobei gleich zu Beginn die Schlüsselstelle zu überwinden ist: Gefühlt fast senkrecht geht es über plattigen Fels hinauf, wobei ein lediglich weiter oben fixiertes Stahlseil die Griffe ersetzt. Kleine Absätze im Fels erlauben mehrere Pausen, sodass man sich die Kraft gut einteilen kann. Entschlossenes Zupacken ist trotzdem erforderlich.

Die Schlüsselstelle von oben

Foto der Südwand vom gleichen Standpunkt aufgenommen - zunächst geht es weiter links (außerhalb des Bildes) hinauf

Anschließend lehnt sich das Gelände zurück und man folgt den roten Markierungen über Gehgelände und vereinzelte Kraxelstellen...

... mit schönen Ausblicken, z.B. zum Gatschkopf ...

... zum Gipfel auf 3036m. Weiter hinauf geht es in den Nordalpen nirgends. 

Ausblick Richtung Nordwesten: Die markante Wetterspitze (2895m) knapp rechts der Bildmitte, dahinter die Allgäuer Hochalpen

Hinten links mit Gletscher: Der Hohe Riffler (3168m) - im Vordergrund: Die Gipfel entlang des Augsburger Höhenwegs

Gatschkopf (2945m)

Im Westen ebenfalls wunderschöne, wilde Lechtaler (von denen ich einen Teil 2019 besuchte)

Wir genossen den einsamen Gipfel und die wunderbare Aussicht, bis uns schließlich das Wissen um den noch erforderlichen Abstieg zur Augsburger Hütte über die nicht unanspruchsvolle Gasillschlucht wieder hinuntertrieb. Bei den Rucksäcken machten wir eine weitere kleine Pause und folgten dann den Schildern hinab.

Was für tolle Schichtungen!

Posing :-)

Die letzte Kletterstelle

Gegen 15:15 Uhr hatten wir den felsigen Teil des Abstiegs hinter uns gelassen und freuten uns - auch aufgrund langsam aufkommender Ermüdung - auf einen schnellen weiteren Abstieg zur Hütte. Leider weit gefehlt: Der Steig weist zwar keine gefährlichen Stellen mehr auf, ist jedoch so steil angelegt und mit feinem Sand garniert, dass man höllisch aufpassen muss, nicht ständig auf dem Hosenboden zu landen. Also tasteten wir uns die restlichen 300 Höhenmeter vorsichtig bergab - erst kurz vor der Hütte wird der Steig besser.

Rückblick: Wie gut, dass wir das nur einmal machen müssen!

Hütte in Sicht

Wie zur Versöhnung überflog uns am Ende noch ein wunderschöner Bartgeier in ca. 50 Metern Entfernung - er verschwand leider viel zu schnell wieder, als dass wir ein Foto hätten machen können.

Beschwingt von diesem Augenblick erreichten wir schließlich um viertel vor vier die Hütte (wo wir gleich mit einem Schnapserl begrüßt wurden). Genau richtig für eine unheimlich leckere Kaspressknödelsuppe und Kuchen. Überhaupt kann man die Gastfreundschaft und Küche der Augsburger Hütte nur über alle Maßen loben: Die Mädels sind stets super aufmerksam und gut gelaunt, und das Abendessen: Ein Gedicht - inkl. Gruß aus der Küche in Form von selbstgebackenem Kürbiskernbrot mit Tomaten- und Meerrettichbutter. Absolut empfehlenswert! 

Die Krönung des tollen Aufenthalts war dann außerdem die Tatsache, dass wir ein Zimmerlager mit "Liegewiese" für uns allein hatten. Diese Nacht schliefen wir beide wirklich sehr gut.

  • Tourdatum: 12. und 13.09.2021
  • Zeitbedarf Tag 1 (ohne Pausen): Parkplatz Bach - Talstation Materialseilbahn gut 2 Stunden, Talstation Materialseilbahn - Memminger Hütte knapp 2 Stunden, Gesamt 4 Stunden
  • Zeitbedarf Tag 2 (ohne Pausen): Memminger Hütte - Patrolscharte ca. 3,5 Stunden, Patrolscharte - Parseierspitze und zurück knapp 2 Stunden, Abstieg zur Augsburger Hütte 1,5 Stunden, Gesamt 7 Stunden
  • Höhenmeter Tag 1: 1180 rauf
  • Höhenmeter Tag 2: Ca. 950 rauf wie runter (ohne Parseierspitze etwa 750)

 

>>> Hier geht es zum Bericht von Tag 3 und 4 (Ausgburger Höhenweg und Abstieg)

Kommentare

  1. Schaut toll aus. Die Lechtaler kenne ich noch fast gar nicht. Würde sich aber offensichtlich mal lohnen, dorthin zu fahren. Und das Steinbock-Foto ist genial!

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    1. Vielen Dank :-) Die Lechtaler würden dir auf jeden Fall gefallen, da bin ich mir sicher! Auch der Augsburger Höhenweg, dessen Bericht ich hoffentlich die nächsten Tage veröffentlichen werde (ist fast fertig). Und die Augsburger Hütte ist wie beschrieben sowieso schon kulinarisch absolut einen Besuch wert!

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