Große Zinne (2999m) über Dibonakante (IV+)

Gleich die zweite Tour in meinem diesjährigen Südtirol-Urlaub führte mich auf einen großen Dolomitengipfel - und das auch noch über einen Klassiker der Alpingeschichte! Die 1908 und 1909 erschlossene Dibonakante führt mit einer Schwierigkeit von IV+ und einer Kletterlänge von 650m elegant an der Nordostkante der Großen Zinne empor zum Gipfel.


Mit unserem Lieblingsbergführer Toni Stocker starteten wir nach knapp einstündigem Zustieg über den Paternsattel um kurz nach halb sieben in die erste Seillänge, die dem ambitionierten Bergsteiger gleich zu Beginn die Zähne zeigt. Für eine IV+ geht es ziemlich steil zur Sache; der kalte Fels und der pfeifende Wind machten es nicht besser. Doch die Lust am Klettern überwog die Schinderei, und so ging es die ersten paar Seillängen hinauf.




Kleine Zinne (2857m) noch ganz groß

Blick in die Nordwand mit Fixseil

Die Stände sind alle recht komfortabel und im unteren Bereich auch mit (alten) Haken und/oder Schlingen ausgerüstet. Je nachdem sollte allerdings mit einer eigenen Schlinge oder einem Friend bzw. Keil nachgebessert werden.




Etwa nach dem ersten Drittel lehnt sich das Gelände zurück, wird gleichzeitig allerdings auch schuttiger. Hier sollte man besonders gut darauf achten, keine Steine loszutreten. Ganz so schlimm wie im AV Führer beschrieben ("Hochberühmt als Genusskletterei, was allerdings wegen der eingeschalteten Schuttbänder nur für das erste Drittel voll gilt und wegen leicht gelöster Steine nur von der jeweils ersten Seilschaft richtig genossen werden kann. Nachfolgende Leute erleben die Route je nach Sorgfalt der oberen Seilschaften mehr oder weniger als Übung des Vorrückens unter Artilleriebeschuss.") fand ich es aber nicht.




Die Kleine Zinne (2857m) wird immer kleiner

Je einfacher das Gelände wird, desto schwerer fällt allerdings auch die Orientierung, und so kann auch schon mal etwas Zeit bei der Suche nach dem nächsten Standplatz drauf gehen. Überspringt man aus Versehen einen, muss selbst gebastelt werden. Bei uns waren vor allem Friends und Schlingen das Mittel der Wahl.

Irgendwann nach etwa zwanzig Seillängen trifft man auf den Normalweg, über den es nochmals einige Zeit Richtung Gipfel geht. Der abgespeckte Kamin (Schlüsselstelle, III) ist tatsächlich im ersten Moment nicht ganz einfach, schließlich aber dann doch schnell überwunden.


Um 14:45 Uhr erreichten wir dann endlich den Gipfel mit seinem überwältigenden Panorama.


Im Vordergrund die Cadinigruppe (bis 2839m), rechts hinten die Sorapis (3205m)

Vorne die Westliche Zinne (2973m), mittig im Hintergrund der mächtige Cristallo (3221m)

Links der Dürrenstein (2839m), mittig der Birkenkofel (2922m), rechts der Haunold (2966m) - ganz hinten die Zillertaler Alpen

Links Haunold, mittig Schusterplatte (2957m) und Dreischusterspitze (3145m)

Ganz links der Elfer (3092m), mittig der Zwölfer (3094m), ganz rechts der Misurinasee (1756m)

Toni, Werner und ich am Gipfel

Nachdem das Wetter entgegen der Vorhersage nicht so stabil erschien und wir noch einen langen Abstieg über den Normalweg vor uns hatten, blieben wir nicht allzu lange oben. Den oberen Teil des Abstiegs kannten wir ja schon, wobei die schwierigeren Stellen abgeseilt werden können - übrigens an wirklich solide aussehenden und teilweise doppelt gesicherten Ringhaken; das hätte ich nicht erwartet.


Blick zurück: Hier geht es hinab (Abseilen möglich) bzw. hinauf

Während die Routenfindung in der Dibonakante zumindest in den ersten zwei Dritteln nicht allzu schwer ist, präsentiert sich der Normalweg wie ein Labyrinth. Ein Verlaufen ist hier schnell möglich, auch wenn bei genauerem Hinsehen oftmals alte, überpinselte Markierungen erkennbar sind. In den Kletterstellen kann man sich zusätzlich am Speck orientieren, im Gehgelände (welches einen großen Teil des Abstiegs aus macht) helfen meist Steigspuren weiter - wobei diese auch in die Irre führen können...

Typisches Gehgelände des Normalwegs

Insgesamt sind wir aus meiner Erinnerung heraus beim Abstieg nichts schwierigeres als II abgeklettert, allerdings bestimmt zehnmal abgeseilt. Toni wählte für uns außerdem die Variante, die in das Schuttkar zwischen Großer und Westlicher Zinne führt, wobei wir somit schneller waren als ein Pärchen aus dem Baskenland, die im oberen Teil noch vor uns waren.

Finale Abkletter- bzw. Abseilstelle


Gegen 18:30 Uhr erreichten wir schließlich müde, aber höchst zufrieden den Parkplatz an der Auronzohütte, wo für uns ein großartiger Tag zuende ging, den wir so schnell sicher nicht vergessen werden. Danke, Toni!

  • Tourdatum: 14.07.2015
  • Zeitbedarf: Laut AV Führer 4 Stunden, zu dritt haben wir 8 Stunden bis zum Gipfel gebraucht - Abstieg über eine Variante des Normalweg in die Scharte zwischen Westlicher und Großer Zinne 3 Stunden
  • Höhenmeter: 600 insgesamt vom Parkplatz der Auronzohütte, davon 100 Höhenmeter Zustieg und 500 Höhenmeter Kletterei

Kommentare

  1. Chapeau, tolle Tour und tolle Fotos!

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  2. Glückwunsch zu dieser großartigen Tour! Für IV+ schaut die wirklich verdammt steil aus. Als wir den Normalweg gegangen sind, hätte ich mir für den Abstieg auch einen Bergführer gewünscht. Wir haben die neuen Abseilstellen nämlich nicht gefunden und mussten teilweise erst suchen und dann Normalhaken abseilen. Also kein Wunder, dass die Basken länger gebraucht haben als ihr.

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    1. Uh, an Normalhaken abseilen fänd ich nicht so toll. "Unsere" Abseilhaken waren wirklich alle tip-top. Ich hoffe, dass ich mir einiges einprägen konnte, damit ich den Normalweg nochmal ohne Bergführer gehen kann. Technisch wär das kein Problem, aber die Orientierung ist halt echt schwer...

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