Kleines Abenteuer an der Ehrwalder Sonnenspitze (2417m)

15:10 Uhr. Langsam werde ich nervös, denn wir lassen uns viel Zeit bei der Gipfelrast. Das ist zwar nach dem sechsstündigen Aufstieg auch nötig, allerdings müssen wir irgendwie noch vom Berg runter kommen. Über unseren Aufstiegsweg durch die Südflanke werden wir extrem langsam sein, in der Nordflanke liegt dagegen noch Schnee und da wir den Weg nicht kennen, könnte es leicht ein böses Erwachen geben. Trotzdem entscheiden wir uns zunächst für die letztere Variante - zu verlockend ist der deutlich kürzere und (im aperen Zustand) wohl auch deutlich leichtere Weg. Dass wir dadurch nur nochmal eine wertvolle Stunde Zeit verlieren, wissen wir zum Zeitpunkt der Entscheidung natürlich noch nicht.


Aber der Reihe nach. Eigentlich hätte das Ganze eine Zweitagestour mit Übernachtung im Winterraum der Coburger Hütte werden sollen. Aufgrund des schlechten Wetterberichts für Samstag beschlossen wir jedoch wenige Tage vorher, die ebenfalls angepeilte Grünstein-Nordrinne von vornherein auszulassen und stattdessen die Ehrwalder Sonnenspitze als Tagestour anzugehen - durchaus ambitioniert, vor allem im Frühling.

Gemeinsam mit Michael, Georg, Armin, Diana, Birgit und Anne ging es zunächst zum großen Parkplatz der Ehrwalder Almbahn, von wo aus wir um halb neun Richtung Seebensee starteten.


Über den Hohen Gang erreichten wir diesen nach 2,5 Stunden. Armin verabschiedete sich hier und stieg auf dem breiten Weg über die Ehrwalder Alm wieder nach Ehrwald ab. Nun also zu sechs folgten wir dem mittlerweile schneebedeckten Weg zur Coburger Hütte, bei der wir gegen 12 Uhr eintrafen.


Mit ehrfürchtigem Blick Richtung Sonnenspitze gerichtet pausierten wir eine Weile...


... ehe der Weg durch erstaunlich griffigen Schnee fortgesetzt wurde.


Um 12:50 Uhr erreichten wir schließlich den Einstieg des Gipfelanstiegs. Insgesamt waren wir bis hier hin - vor allem auch über das Schneefeld - recht gut vorangekommen. Zumindest bei mir keimte nun das erste Mal wirkliche Hoffnung auf, dass wir den Gipfel tatsächlich würden erreichen können, denn aufwändige Sicherungsarbeit schien aufgrund des fehlenden Schnees nicht nötig zu sein. Daneben machte sich aber auch eine gehörige Portion Respekt breit, denn der Aufstieg sah schwieriger aus als ich es erwartet hätte.

Fast fühlte ich mich an den Normalweg der Großen Zinne erinnert: Insgesamt zwar klettertechnisch leicht (bis II, vielleicht auch ganz kurz mal III-), aber in weiten Teilen absolutes Absturzgelände; dazu streckenweise sehr unübersichtlich. Glücklicherweise helfen sparsam gesetzte rote Punkte und Sicherungshaken, den Überblick in den Rinnen und Querungen nicht zu verlieren.



Ein einziges größeres Schneefeld ließ zwischendurch die mitgeführten Pickel zum Einsatz kommen, ansonsten genossen wir die steile, aber nie wirklich schwierige Kletterei.




Nach einer längeren Gehpassage...


... erreichten wir schließlich den eigentlich höchsten Punkt. Möchte man die überaus gemütliche Bank des Gipfelkreuzes nutzen, muss eine letzte Schlüsselstelle (II und zu beiden Seiten sehr ausgesetzt) erklettert werden. Auch hier kann gesichert werden.


Um halb drei ließen wir uns nun also zur eingangs erwähnten Gipfelrast nieder und füllten die deutlich in Anspruch genommenen Energiespeicher wieder auf. Auch das Panorama wollte angemessen gewürdigt werden.





Die Entscheidung, den Abstieg durch die Nordflanke zu versuchen, fiel gemeinschaftlich. Skepsis war durchaus vorhanden, doch der erste Blick sah eigentlich recht gut aus. Gegen 15:15 Uhr brachen wir auf. Gleich auf den ersten Metern dann die erste vereiste Stelle. Dank des perfekt gesetzten Hakens konnten wir abseilen, was jedoch Zeit kostete. Bis der Tourenleiter, der natürlich als letztes abseilte, wieder an der Spitze der Gruppe war, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit. Eine erneute gefühlte Ewigkeit diskutierten wir den möglichen Weiterweg, denn ein extrem steiles Schneefeld versperrte uns den Weg. Da der Schnee weich und nur wenige Zentimeter stark war, würden die Tritte vermutlich nicht halten. Weiter unten war zwar insgesamt weniger Schnee vorhanden, das Gelände aber nicht minder steil und zusätzlich mit losem Schotter garniert. Eine Seilsicherung wäre zwar möglich gewesen, hätte aufgrund der nötigen Querung in Kombination mit fehlenden Zwischensicherungsmöglichkeiten bei einem Sturz aber zu einem massiven Pendler geführt, was mit Sicherheit mit Verletzungen einhergegangen wäre. Da wir außerdem nicht wussten, was uns weiter unten vielleicht noch erwarten würde, entschieden wir uns schließlich doch dafür, den längeren und schwierigeren, aber bekannten Abstieg Richtung Coburger Hütte zu nehmen.

Gegen 16 Uhr befanden wir uns somit abermals am Gipfelkreuz. Der nun folgende Abstieg zog sich wie Gummi. Nicht nur, weil wir nun langsam müde wurden, sondern auch, weil sich insbesondere Anne schwer tat und nur sehr langsam absteigen konnte.




Als wir den Fuß des Berges erreichten, war es bereits 18:30 Uhr. Birgit war voraus geeilt, um Armin Bescheid zu geben, er möge bitte NICHT die Bergwacht rufen; es ginge uns gut, wir wären nur einfach ziemlich langsam gewesen. Wenn uns allerdings jemand mit fahrbarem Untergrund vom See abholen kommen könnte, wäre das eine erhebliche Erleichterung.


Was soll ich sagen? Wir wurden abgeholt. Von der Bergwacht. Irgendwas muss da mit der Kommunikation schief gelaufen sein... Im Endeffekt waren wir natürlich froh, nicht mehr bis Ehrwald hatschen zu müssen, andererseits verlieh die "Taxifahrt" dem Ganzen einen irgendwie fahlen Beigeschmack. Aber gut, letztendlich waren natürlich alle froh, dass wir gut vom Berg runter gekommen waren und eine entspannte Heimreise antreten konnten.

Beim nächsten Mal ist dann allerdings die Überschreitung fällig!

  • Tourdatum: Sonntag, 21.05.2017
  • Zeitbedarf (unserer): Talstation Erwalder Alm-Bahn - Coburger Hütte gut 3 Stunden, Coburger Hütte - Gipfel 2,5 Stunden, Abstieg bis Seebensee (inkl. Versuch Nordseite) knapp 4,5 Stunden, Gesamt gut 10 Stunden
  • Höhenmeter: ca. 1400

Kommentare

  1. Servus,
    habe gerade Deinen Sonnenspitzenbericht studiert. Ich denke, Ihr habt Euch richtig entschieden. Ich bin mit einem Kumpel, der den Berg sehr gut kennt, auch nordseitig runter; angekündigt waren Wolken mit leichtem Sonnenschein, bekommen haben wir Nebel mit leichtem Schneefall. Der Fels war nass und von feinem Puderzucker bedeckt. Ich glaube zu wissen, welche Stelle Du beschrieben hast. Nach der Querung, die zwar gut zu gehen ist, an der man aber definitiv nicht ausrutschen darf, (der Nebel hatte extremere Tiefblicke verhindert), folgt etwas Felsgelände, an dem man in einer Biegung Richtung Norden abklettern muss. Im Trockenen auch hier kein Problem, aber bei Schnee und Nässe muss man Vertrauen in seine Füße haben. Anschließend eine kurze Abkletterstelle, die leicht ist, wenn man weiß, dass versteckt unten ein größerer Tritt kommt. Wenn dann der erste unten steht und helfen kann, ist alles gut machbar. Danach ein langer, sich windender Pfad, der im Vergleich zum Rest völlig problemlos ist.
    Viel Erfolg beim nächsten Mal, Grüße, Gregor

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    1. Servus Gregor,

      danke für dein Feedback. Schade, dass ich vergessen habe, von der in unseren Augen unüberwindbaren Querung ein Foto zu machen. Da waren wir leider mit den Gedaken überall, aber nicht beim Fotografieren. Aber es klingt schon so, als wüsstest du, wo wir ungekehrt sind. Vielleicht schaffe ich es ja sogar dieses Jahr, mir den Nordan- bzw. abstieg mal anzuschauen. Bei guten Verhältnissen braucht man bis zum See sicher nur die Hälfte der Zeit wie über die Südroute.

      Viele Grüße

      Rebecca

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