Guffert über Südkante (VI-)

In Arco bin ich dieses Jahr ja tatsächlich ein bisschen mutiger und routinierter geworden was das Felsklettern angeht. Also Guffert Südkante, je nach Angabe V+ bis VI-. Natürlich in Wechselführung; wenn ich anfangen würde, hätte ich maximal eine V- vorzusteigen. Und die plattige Schlüsselstelle sollte im Nachstieg ja wohl auch ganz gut funktionieren.


Außerdem sind es ja eh nur vier Seillängen echte Kletterei, dazwischen IIer oder Gehgelände. Die Tage sind lang, das Wetter ohne Gewittergefahr.

Andererseits, eine ausgewachsene Alpintour ist es schon, so mit 1000 Höhenmetern Zustieg und einem nicht gerade kurzen Abstieg. Die Absicherung eher so lala (zwei Haken auf 20m bei Schwieirgkeit V) und abgespeckt soll das Ganze auch sein.

Meine Gedanken im Vorfeld der Tour waren gemischt. Doch irgendwann muss man ja einen Schritt weiter gehen - und da die Bedingungen perfekt schienen, ließ ich mich auf den Vorschlag ein.


Wir starteten um kurz nach halb zehn in Steinberg am Rofan. In sehr angenehmer Steigung leitet der Wanderpfad nach oben, sodass die Höhenmeter eher beiläufig fallen. Immer weiter geht es bergauf, bis schließlich der mit einem Steinmann markierte Abzweig unter dem Felskopf mit den Löchern erreicht ist.

Gut zu erkennen: Die Rinne, die zur Südostwand führt

Angeblich (Buch "Alpines Genussklettern" aus dem Bruckmann-Verlag) soll man hier in gut einer Stunde sein; dafür muss man aber schon recht flott unterwegs sein. Auch die insgesamt eindreiviertel Stunden bis zum Einstieg überboten wir bei weitem - aber gut, wir waren rückblickend betrachtet irgendwie im Genuss-Schlender-Modus.


Nachdem die schön platt geschliffene Rinne bis zur Südostwand hinaufgestiefelt und teilweise -gekraxelt war, machten wir uns kletterbereit. Was wir schon vorher befürchtet hatten, bewahrheitete sich hier leider umgehend: Der schneidige Wind kühlte uns schnell aus, zudem lugte die Sonne nur ab und zu durch die Wolken.

Blumenpracht am Einstieg - mit ein bisschen Phantasie erkennt man den Miniüberhang, der alle Trittmöglichkeiten in vernünftiger Höhe schluckt.

Flo und Tanja machten den Anfang. Auch nachdem wir ihr mit einer Räuberleiter über den ersten Miniüberhang helfen mussten, gab ich meinen Vorstiegswillen nicht von vornherein auf. Wie gesagt, eigentlich nur V-, also wirklich nicht schwer... Da ich aber beim besten Willen keine vernünftigen Tritte fand und mir das nötige hohe Ansteigen aufgrund der Abwesenheit von Henkeln ebenfalls nicht gelang, machte ich dann doch einen Rückzieher. Schade, mit der Wechselführung würde es also nichts werden. Also Seilenden getauscht und auf's gewohnte "Nachkommen"-Signal gewartet.

Mehrmals versuchte ich mich - nun mit etwas Seilzug von oben - an der Einstiegsstelle. Vergebens. Selbst die in den untersten Haken eingehängte 60cm-Schlinge half mir nicht weiter, da ich noch immer extrem hoch antreten musste. Nach ca. zehn Minuten erfolgloser Versuche band ich schließlich einen Prusik als zusätzlichen "Griff" ins Seil, mit dem ich mich dann endlich über den Miniüberhang wuchten konnte. Ein wenig enttäuscht ging es weiter bis zum Stand - kein guter Anfang.

Seillänge zwei zeichnet sich durch eine plattige Verschneidung - auch in Piaztechnik kletterbar - aus. Nur glatt V, aber sehr steil und mit tatsächlich teils recht speckigen Griffen und Tritten. Uli war wohl froh um die mitgeführten Friends, die sich gut im Riss verstauen ließen. Auch in dieser Seillänge glich meine Kletterei gefühlt eher einem "Gemurkse", die Exen als willkommende Griffmöglichkeit nutzend.


Seillänge drei (II und Gehgelände) verdankte ich, dass mir durch die kontinuierliche Bewegung langsam wieder ein bisschen wärmer wurde.


Als nächstes baute sich die Schlüsselseillänge (VI-) vor uns auf. Klar, dass Uli vorstieg - er mag ja ohnehin Platten. So fiel ihm das Ganze auch ziemlich leicht, flux war er am nächsten Stand. Mit den Worten "Das war ja viiiieeel leichter als das vorher" munterte er mich auf - und tatsächlich, bis auf eine kurze Plattenstelle ging mir die Seillänge auch recht gut von der Hand.


Nach einer weiteren Gehpassage und einem kurzen Abstieg in eine Scharte stand bereits die letzte Seillänge (IV+) an. Ist schon komisch, denn zwischen IV+ und V- liegt ja jetzt nicht so arg viel. Im Gegensatz zur Einstiegslänge fiel mir diese Kletterei aber um Welten leichter, da kam nochmal richtig Genuss auf.


Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit war klar, dass wir die letzte optionale Seillänge (IV) auslassen und per Umgehung auf den Gipfel gehen würden. Dort kamen wir schließlich müde, aber glücklich um Punkt 17 Uhr an.


Der fotogene Westgrat - eher mein Genussbereich

Was für ein Kampf es zwischenzeitlich gewesen war! Mehrmals hatte ich ernsthaft darüber nachgedacht, den Rückzug anzutreten. Im Nachhinein bin ich natürlich schon froh, das Ganze durchgezogen zu haben (und Uli hatte eh seinen Spaß, das soll ich hier ganz deutlich sagen), doch die Ernüchterung bleibt. Was hat mich so blockiert? Waren es die eiskalten Finger, die einfach nicht so wollten wie ich? War es die Kälte im Allgemeinen, die mich teilweise am ganzen Körper zittern ließ? Oder war es einfach nur der Kopf, aus den vorgenannten Gründen und weil mir die Kletterei nicht so lag? Eine eindeutige Antwort darauf wird sich wohl nicht finden lassen. Ich weiß nur: Die nächsten Touren werden wieder entspannter (naja, hat ja nur so halb geklappt, mehr im nächsten Beitrag...) oder es geht - zur Not - in den Klettergarten.

Achja, der Abstieg. Er zog sich.

Südostwand

Blick ins Rofan - das Wetter bessert sich langsam wieder

Ein schöner Berg ist's ja schon irgendwie


Um 20 Uhr waren wir wieder am Auto. Da der Wirt des Waldhäusls gerade die Küche dicht gemacht hatte, kehrten wir im altbewährten "Haus Göttfried" in Kreuth ein - immer wieder ein Genuss!
  • Tourdatum: Samstag, 23.06.2018
  • Höhen- und Klettermeter: 1000 hm Zustieg, 200 hm Kletterei (300 Klettermeter)
  • Zeitbedarf (ohne Pausen): Zustieg 2 bis 2,5 Stunden, Kletterei 2,5 bis 3,5 Stunden, Abstieg gut 2 Stunden

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