Lechtaler Alpen alpin (3/5): Beeindruckende Dremelspitz (2733m)

Habe ich den Berg unterschätzt? Ja, definitiv. Während ich die Aussicht und die sonnige Gipfelrast genieße, drängen sich immer wieder die Gedanken an den Abstieg auf. Besonders der schwere Rucksack und die abschnittsweise doch immer wieder mal nicht ganz festen, dafür aber umso ausgesetzteren Kletterstellen machen mir ein wenig Sorgen. Dabei ist der Anstieg auf die Dremelspitze doch sogar markiert...


Insbesondere wohl auch aus diesem Grund hatte ich mich mit der Recherche nicht allzu lang aufgehalten: Durchgehend markiert, Kletterstellen bis II: Passt. Gut gelaunt machten wir uns um 8 Uhr an die vermeintlich "langweiligste" Etappe unserer kleinen Durchquerung der Lechtaler Alpen. Das Wetter jedenfalls war definitiv weiter auf unserer Seite!


Zunächst galt es, die Westliche Dremelscharte zu erreichen. Nachdem wir von den Eintragungen im Hüttenbuch und von den Gesprächen an den Nachbartischen davon ausgingen, dass mindestens 80 % der Hüttengäste (wie wir) weiter zur Steinseehütte gehen wollten, stellten wir uns schon auf eine Massenwanderung ein. Glücklicherweise schien es jedoch so, dass viele eine andere Route wählten und/oder sich aufgrund der Kürze des Übergangs für's Ausschlafen entschieden hatten.


Rückblick

So ging es erst einmal in völliger Ruhe durch den erneut wunderschönen Morgen. Gegen halb zehn erreichten wir die Scharte.


Da wir ausgiebig gefrühstückt hatten, ging es gleich weiter: Linkerhand leiten deutliche Pfadspuren und Markierungen auf eine Rinne mit den ersten IIer-Stellen zu. Nach Überwinden dieses ersten Hindernisses...


... gelangt man auf ein Feldband, welches jedoch bald wieder nach links verlassen wird. Anfangs ziemlich steil und auch eher knifflig (II+), dann wieder etwas flacher...


... leiten die Markierungen aufwärts. Es folgen ein paar ausgesetztere Stellen...


... und nach einer Abkletterstelle gelangt man in eine Schlucht...


... an deren linken Rand man sehr ausgesetzt und abdrängend hinaufklettert.


Ist diese psychlogische Schlüsselstelle geschafft, wartet nach einem kurzen Schrofenstück die klettertechnische Schlüsselstelle: Im Aufstieg nahmen wir den glatten Kamin, bei dem man (insbesondere mit größerem Rucksack) schon ganz gut Kraft aufwenden muss (II+/III-), im Abstieg wählten wir den danebenliegenden Durchschlupf, welchen Mensch und Rucksack jedoch einzeln passieren müssen (ein Bild gibt's leider weder vom Auf- noch vom Abstieg). Anschließend müssen lediglich noch einige schrofige Höhenmeter zurückgelegt werden, bevor man das beeindruckende Panorama am erstaunlich geräumigen Gipfel genießen kann.

Blick Richtung Süden

Im Norden die Allgäuer Alpen

Richtung Osten dominiert die Große Schlenkerspitze

Panorama gen Westen

Wie eingangs beschrieben, ließen mich die Gedanken an den Abstieg nach etwa dreißig Minuten jedoch nicht mehr ruhig sitzen. Wir packten also schweren Herzens unsere Sachen zusammen und gingen die Sache an. Zu meiner Erleichterung - und wie insgeheim gehofft (da schon mehrmals erlebt) - verlangte das Bergab zwar mindestens genauso viel Konzentration wie das Bergauf, es kam jedoch an keiner Stelle ein ungutes Gefühl auf. Lediglich ein lockeres Felsstück brachte mich einmal kurz aus dem Konzept, hinterließ aber nur für wenigen Minuten weiche Knie.

Nachdem wir anschließend auch den Bröselabstieg aus der Scharte hinter uns gebracht hatten, ...


... belohnten wir uns schließlich mit einer nochmaligen laaaaangen Pause am wunderschönen Steinsee...



... bevor es zu Kaffee und Kuchen weiter zur Hütte ging.


  • Tourdatum: Freitag, 23.08.2019
  • Zeitbedarf (ohne Pausen): Hanauer Hütte - Scharte 1,5 Stunden, Scharte - Dremelspitz knapp 1,5 Stunden, Dremelspitz - Scharte knapp 1,5 Stunden, Scharte - Steinseehütte ca. 1 Stunde, Gesamt 5,5 Stunden
  • Höhenmeter: Gut 800 im Aufstieg, 670 im Abstieg (davon jeweils 300 Höhenmeter Gipfelan- bzw. abstieg)

Fazit: Schon erstaunlich, was der Kopf ausmachen kann. Wie gesagt hatte ich dem Aufstieg auf die Dremelspitz im Vorfeld nicht viele Gedanken geschenkt. Auch der Hüttenwirt der Hanauer Hütte hatte uns den Gipfel ja als Alternative zur Schlenkerspitze vorgeschlagen. Rückblickend fand ich die Dremelspitz jedoch anspruchsvoller. Natürlich mag der schwere Rucksack (wir hatten ja schließlich unseren ganzen Hüttenkram und die gesamte Verpflegung dabei) zu dieser Einschätzung beigetragen haben. Entscheidend war aber sicherlich meine innere Einstellung. Vor der Schlenkerspitze hatte ich großen Respekt, vor der Dremelspitz eher nicht. Wird man in letzterem Fall dann von nicht erwarteten Herausforderungen "überrascht", kann das die Moral ziemlich senken und das ganze Vorhaben deutlich schwieriger erscheinen lassen als man es sonst wahrgenommen hätte. Eine ziemlich gute Lehre in Sachen Überheblichkeit...

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